Yoga-Philosophie im Alltag: Buddhi (Teil 2)
- Yvonne
- 14. Apr.
- 2 Min. Lesezeit

Buddhi – Die Erkenntniskraft jenseits von Wollen
In der Tiefe unserer Yogapraxis – sei es auf der Matte oder im Alltag – begegnen wir einem feinen, doch kraftvollen inneren Kompass: Buddhi. Oft übersetzt als "Verstand", "Unterscheidungskraft" oder "intuitive Intelligenz", ist Buddhi aber ganz anders, als bloßes Denken. Buddhi ist die Kraft, die erkennt, was wahr, was wesentlich, was heilsam ist - jenseits Deines Wollens, jenseits von Logik, jenseits von Ego.
Was ist Buddhi?
Im klassischen Sāṅkhya- und Yoga-System bildet Buddhi zusammen mit Ahaṁkāra (Ich-Gefühl) und Manas (das denkende, reagierende Prinzip) das sogenannte Antaḥkaraṇa, das innere Instrument. Innerhalb dieses Instruments ist Buddhi die höchste Instanz – klar, still, urteilsfähig.
Buddhi ist die Fähigkeit, zu unterscheiden: zwischen dauerhaft und vergänglich, zwischen Ich und Nicht-Ich, zwischen innerer Wahrheit und äußeren Reizen.
Buddhi im Dienst des Erwachens
Buddhi ist nicht das Selbst (Purusa oder Atman), sondern Teil der Prakṛti, der Welt der Dinge - der manifesten Natur. Alles, was sterben kann, gehört dazu. So wie Körper, Gedanken und Gefühle. Buddhis Aufgabe ist es, die Realität zu reflektieren – wie ein klarer See den Himmel. Je ruhiger und reiner Buddhi ist, desto klarer kann sie das Licht des Puruṣa widerspiegeln.
Wer oder was ist Puruṣa?
Puruṣa (auch Atman) der göttliche Funke in Dir. Jener Teil, der nicht geboren werden und darum auch nicht sterben kann (so wie Dein Körper - und mit ihm Deine Gedanken und Deine Gefühle). Es ist das reine Bewusstsein, das wahre Selbst – unberührt, ewig, frei. Nicht tätig, nicht denkend, nicht handelnd. Puruṣa beobachtet – Buddhi erkennt. Im Yoga streben wir danach, die Identifikation mit Buddhi (und den noch gröberen Aspekten unseres Geistes) zu lösen, um uns in der Stille - gelöst von allem - als Puruṣa zu erkennen. Auf diesem Weg ist Buddhi ist das Tor – Puruṣa ist das Licht dahinter.
Die Praxis: Buddhi kultivieren
In einem Alltag voller Reize, Meinungen und Emotionen verliert sich Buddhi leicht im Lärm. Doch Yoga gibt uns Werkzeuge an die Hand, sie zu klären und zu schärfen:
Meditation: Durch stille Selbstbeobachtung beruhigt sich Manas, Ahaṁkāra tritt zurück – und Buddhi kann in ihrer Unterscheidungskraft wirken.
Svādhyāya (Selbststudium): Die Beschäftigung mit Yogaschriften oder Reflexion über die eigenen Handlungen stärkt die Urteilsfähigkeit.
Sāttvige Lebensweise: Eine Lebensweise, die Klarheit, Ruhe und Achtsamkeit fördert, unterstützt die feine Arbeit von Buddhi.
Fazit: Buddhi als dienende Weisheit
Buddhi will in Dir nicht herrschen (anders als Manas oder Ahamkara, aber dazu kommen wir noch), sondern dienen. Darum ist Buddhi nicht laut und geht inmitten der vielen Reize und lauten Ansprüche leicht unter. Du hast Buddhi bestimmt auch schon erlebt: in jenen Momenten, wo glasklar ist, was richtig und was zu tun ist - auch wenn das Richtige vielleicht unbequem und sogar schwer ist.
Wenn Buddhi klar ist, erkennen wir: Wir sind nicht unsere Gedanken, nicht unser Körper, nicht einmal unsere Intuition. Wir sind das Licht, das all das wahrnimmt – wir sind Puruṣa.
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